Eingewöhnungszeit als Herausforderung für alle Beteiligten
Die Phase der Eingewöhnung ist nicht nur für Eltern und Kinder oft eine besonders herausfordernde Zeit. Auch für die pädagogischen Kräfte sind diese Wochen häufig sehr anstrengend.
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem Tragen in Tragehilfen in der Krippe gemacht. Besonders in der Eingewöhnung ist es eine große Unterstützung für Fachkräfte und ihre Schützlinge.
Vorteil 1: Eingewöhnung braucht Nähe – Tragen schafft Nähe
Unter idealen Bedingungen hätten wir für jede Eingewöhnung unbegrenzt Zeit und vor Allem so viel Personal, um sowohl die Bedürfnisse aller anwesenden Kinder (und Eltern!) sowie unsere eigenen zu erfüllen.
Leider sieht die Praxis im Normalfall anders aus. Mehrere Kinder werden parallel (aber nicht miteinander in der Peergroup ) eingewöhnt und auch die Bestandskinder in der Gruppe brauchen wieder Halt und Nähe, weil sich die Dynamik der Gruppe verändert und sie ihre neue Rolle finden müssen.
In der Realität sieht es also für uns oft so aus, das wir ein Kind auf dem Arm haben und mindestens ein weiteres bereits am Hosenbein zupft, weil es dort auch hinmöchte. Während in den ersten Tagen oder vielleicht Wochen die neuen Kinder uns stundenlang „in Beschlag“ nehmen können, ist es doch irgendwann nötig wieder mobiler zu werden, unsere weiteren Aufgaben im Alltag zu erledigen. Gleichzeitig braucht das neue Kind nach wie vor noch sehr viel Nähe.
Eine Tragehilfe ist hier echt optimal. Das Kind kann im Ringsling, oder der Trage Nähe und Sicherheit tanken und Du selbst hast die Hände frei. Gerade Mikrotransitionen, die für kleine Kinder oft eine Hürde sind, lassen sich so gut gestalten.
Das Gewusel in einer Garderobe voll Kleinkinder, die freudig darauf warten in den Garten zu dürfen kann auf ein neues Krippenkind beängstigend wirken. Es bietet sich also an, das neue Kind bereits anzuziehen und in die Tragehilfe auf den Rücken zu schnallen.
So ist es in sicherer Nähe einer Bindungsperson, kann wenn gewünscht das Geschehen von dort interessiert verfolgen, während die Betreuungsperson die anderen Kinder beim Anziehen unterstützen kann.
Vorteil 2: Das Tragen als Brücke in den Schlaf
Die Neuzugänge in der Krippe sind häufig noch nicht so weit mit einem Tagschlaf über die Runden zu kommen, ohne völlig zu übermüden. Im Krippenalltag ist es aber für die Kleinen oft schwierig zur Ruhe zu kommen und in den Schlaf zu finden. Schließlich spielen die anderen Kinder in Hörweite fröhlich und geräuschvoll.
Schon oft habe ich erlebt, wie die völlig übermüdeten Kinder dann so k.o. waren, dass sie nur noch weinten und kaum zu beruhigen waren.
Auch hier ist die Trage oft eine wunderbar einfache Lösung. Müde Kinder können sich in ihr durch den Körperkontakt mit der Bindungsperson entspannen, und schlafen meist trotz dem Geräuschpegel in der Gruppe friedlich ein.
Die tragende Person kann sich so auch um ihre anderen Schützlinge kümmern und hat e voilá wieder die Hände frei. So entsteht erst gar nicht die Übermüdung, die es dem Neuling schwer macht, den Krippentag gut zu bewältigen.
Auch für die Fachkraft entzerrt es die Situation immens. Ein kreischendes Kind auf dem Arm zu haben, während man noch andere Dinge erledigen soll, ist extrem kraftraubend.
Die Alternative, dass sich ein/e Kolleg*in mit dem müden Kind so lange zurückzieht bis es mit Kinderwagen oder auf dem Arm in den Schlaf geschunkelt ist, ist ebenfalls nur suboptimal, weil es das anwesende Personal in der Gruppe reduziert und es somit dort schwieriger macht, den verbleibenden Kindern und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Von den eigenen mal ganz zu schweigen.
Vorteil 3: Rücken schonen – das A und O
In unserem Beruf sind Rückenprobleme wahrscheinlich die häufigste Erkrankung (neben Erschöpfungszuständen). Umso wichtiger ist es denselbigen zu schonen und pfleglich zu behandeln.
Den ganzen Tag ein Kind auf der Hüfte zu tragen und in Schiefhaltung nebenbei Aufgaben zu erledigen ist definitiv eines nicht: Rückenschonend.
In einer Tragehilfe, die gut eingestellt ist und richtig sitzt, entlastest Du hingegen Deinen Rücken und hast noch dazu die Hände frei (Du siehst, freie Hände sind mir echt wichtig 😉 )
Das richtige Handling ist hierbei aber der Knackpunkt. Zu locker eingestellte, schlecht sitzende Tragen können Rückenschmerzen und Verspannungen begünstigen. Daher also unbedingt von einer Fachfrau/mann beraten lassen.
Dann ist Tragen sogar noch ein weiteres Plus für den Rücken, da es die Muskulatur trainiert, Wenn Du bereits Rückenprobleme hast, ist es sinnvoll erstmal mit kurzen Tragezeiten zu starten und langsam zu steigern. Gehe dabei nie über Deine Belastungsgrenze und höre auf Zeichen Deines Körpers!
Du solltest Deine Rückenmuskulatur dann unbedingt mit entsprechenden Übungen aus dem Yoga oder ähnlichen sanften Sportarten stärken und auf ergonomische Sitzweise und achtsame Bewegungen im Alltag achten.
Grundsätzliches vorm Tragestart in der Einrichtung
Bevor Ihr im Team anfangt zu tragen, solltet Ihr am Besten eine Trageberatung für eine Teamsitzung buchen. Lasst Euch über die Vorteile des Tragens aufklären und ein paar gängige Tragehilfen vorstellen (auch mit dem Tuch tragen ist natürlich möglich und hat einige Vorteile gegenüber Tragehilfen, wird aber bei Menschen, die dem Tragen ohnehin eher skeptisch gegenüber stehen eventuell auf Widerstand stoßen). Äußert offen Eure Vorbehalte, Ängste oder Widerstreben und geht diesen gemeinsam auf den Grund. Vielleicht lässt sich Einiges davon auflösen.
Entscheidet Euch im Team für einige Tragehilfen und schafft pro Gruppe mindestens eine an (besser wären wohl für jede/n Kolleg*in in der Gruppe eine). Die meisten Hersteller bieten Sonderkonditionen für Kitas an. So sind die Tragehilfen tatsächlich absolut erschwinglich.
Holt die Eltern mit ins Boot
Viele Eltern stehen dem Tragen heute ohnehin positiv gegenüber. Nichtsdestotrotz solltet Ihr vorher abklären, ob es für die Eltern okay ist, wenn Ihr die Kinder in Tüchern oder Tragehilfen tragt. Manchen erscheint das vielleicht zu intim, oder sie haben Vorbehalte gegenüber dem Tragen und sträuben sich daher vielleicht dagegen.
Besprecht mit den Eltern bereits vor der Eingewöhnung Eure Idee den Start in der Krippe durch vermehrtes Tragen zu erleichtern. Und erfragt Ihr Meinung dazu. Ist das Kind eventuell ohne hin ein „Tragebaby“ ? Welche Tragehilfen oder Tuch nutzen die Eltern bisher? So kommt Ihr auch gut ins Gespräch und baut währenddessen auch eine erste Bindung zu den Eltern auf.
Ein Infoelternabend ist die halbe Miete.
Ein kurzer Infoelternabend bietet sich an, wenn Ihr die Eltern überzeugen möchtet. Auf diesem können die Vorteile des Tragens auch den Eltern erläutert werden. Auch hier ist es ratsam, sich einen Profi in Form einer ausgebildeten Trageberatung zur Unterstützung zu holen. Bucht sie für einen Kurzvortrag darüber, wie Tragen die Arbeit in der Krippe erleichtern und verbessern kann und wie das den Kindern zugute kommt. Sie kann den Eltern dann gleich sämtliche Rückfragen beantworten, die es bei ihnen zum Tragen gibt.
Die besondere Situation in Eurem Krippenalltag sollte hier genau beleuchtet werden. Geht auf Euren speziellen Alltag, Eure Gruppengrößen (das Verhältnis von jüngeren Kindern zu „Fast-Kindergartenkindern“) ein.
Die Vorzüge des Tragens sind in dem Kontext besser zu sehen. Eine Eins-zu-eins (oder vielleicht auch Eins-zu-zwei oder drei) Betreuung wie zuhause ist beim Personalschlüssel in der institutionalisierten Kinderbetreuung nun mal nicht möglich.
Umso schöner ist es, dass das Tragen uns in der Krippe ermöglicht, den Kindern Nähe zu bieten, die es gerade nötig haben und den Kindern Anregung zu verschaffen, die es gerade wünschen (während die Kuschelbedürftigen es in der Trage gemütlich haben).
Probelauf und Reflektion
Optimal ist es, wenn Ihr als Team danach erstmal mit einem Probelauf startet. Die Tragehilfen hat Euch die Beratung bereits gezeigt und erklärt. Nun testest Ihr, wie Ihr im Alltag damit klarkommst. Versucht Euch bei Schwierigkeiten gegenseitig zu unterstützen und probiert eventuell nochmal die unterschiedlichen Tragehilfen aus, um herauszufinden, welche optimal zu Euch passt. Für eventuelle Rückfragen steht die Trageberatung Euch sicher zur Verfügung (bei Kleinigkeiten wahrscheinlich sogar unentgeltlich..)
Vorteil 4: Aufwertung der pädagogischen Arbeit
Das Tragen ist auch eine Möglichkeit Eure Einrichtung positiv hervorzuheben. Zwar integrieren immer mehr Einrichtungen das Tragen mit Tragehilfen und Tüchern in ihren Alltag, aber in der großen Landschaft der Betreuungseinrichtungen gesehen ist es noch nicht so weit verbreitet
Ihr könnt Tragen gut als Teil der pädagogischen Arbeit in die Konzeption aufnehmen und habt dadurch nicht nur Transparenz von Anfang an, sondern auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Einrichtungen.
Praktikant*innen, interessierte Eltern und andere Menschen, die sich für Eure Einrichtung interessieren, erfahren so gleich zu Beginn von dieser Besonderheit Eures Hauses. Und können sich eventuell gezielt deswegen für Euch entscheiden.
Neuen Mitarbeiter*innen (auch Jahrespraktikant*innen solltet Ihr dann unbedingt eine Trageberatung in der Einrichtung ermöglichen, um sicherzustellen, dass die Tragen korrekt genutzt werden und ihm einen entsprechenden Stellenwert beizumessen. Auch für den Rest des Teams kann eine Auffrischung regelmäßig gut tun.
Wenn Ihr Rückfragen habt oder eine Trageberatung in der Nähe von München/Freising für Euer Team sucht: Ich freue mich über einen Kommentar!
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