Eingewöhnung ist für pädagogische Fachkräfte meist eine sehr heraufordernde manchmal auch kräftezehrende Zeit. Umso wichtiger ist es wichtig uns bewusst zu machen, wie wichtig der Verlauf der verschiedenen Eingewöhnungsphasen für unsere weitere Beziehung zum Kind ist.
Gemeinsam mit meiner Kollegin Nancy Flege, habe ich mich dieser Thematik angenommen. Sie liegt uns beiden sehr am Herzen, wie ich bei meinem Gastauftritt in Nancys Lebensschritte Podcast sofort spürte.
Wenn Dich Eingewöhnung aus Elternsicht interessiert schau hier in Nancys Blogartikel .
Eingewöhnungsphase 1 – Vorbereitung
Bisher wird der Vorbereitung nur wenig Zeit gewidmet. Wir führen ein Vorgespräch, machen vielleicht einen Rundgang durch die Einrichtung oder sogar einen Schnuppertag für das Kind und seine Eltern. Es werden Namensetiketten gedruckt und Garderobenplätze beschriftet, Gruppenlisten gedruckt und Formulare abgeheftet.
10 Möglichkeiten bereits vor Eingewöhnungsstart eine gute Basis zu schaffen
Was wäre aber wenn Du die Wochen vorm tatsächlichen Eingewöhnungsstart bereits nutzen könntest, um erste Berührungspunkte zu finden? Es gibt viele weitere Möglichkeiten um bereits vorm Start Kontakt zur neuen Familie zu knüpfen. Ich liste Dir hier einige auf, aber der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt :
- Einladung zum Sommerfest der Kita
- Elternnachmittag mit Kind statt Elternabend
- Mehrere einzelne Schnupperstunden statt einem langen Schnuppernachmittag
- „Zauntreffen“ vereinbaren: kurzes Tür- und Angelgespräch mit Mutter/Vater samt Kind auf dem Arm, wenn Du mit der Gruppe im Garten bist
- „Pixibuch“ für die neuen Familien gestalten – Fotos/Zeichnungen stellen den Tagesablauf in der Kita und die Betreuer*innen vor
- Ausführliches Kennenlerngespräch indem Vorlieben, Neigungen des Kindes, Ängste und Sorgen der Eltern abgefragt werden
- Eltern bitten bereits vor Kitastart häufig mit dem Kind bei Spaziergängen an der Einrichtung vorbeizugehen und den Kitastart zu thematisieren
- Evtl. ein spezielles Lied für den Kitastart mit der Gruppe einüben und den Eltern der neuen Kinder samt Noten, Text und bevorzugt Link zum Anhören mitgeben, um es zuhause vorzubereiten.
- Eltern genau über den Ablauf einer Eingewöhnung informieren: Wichtig KEIN ZEITDRUCK! Wiedereinstieg in Firma sollte erst mindestens 6 bis 8 Wochen nach Eingewöhnungsstart sein. Sonst lieber anderes Elternteil oder Tante/Onkel, Großeltern oder weitere enge Bindungspersonen bitten die Eingewöhnung zu übernehmen.
- Wichtigkeit der achtsamen Kommunikation betonen. Schlüsselwörter achtsam verwenden z.Bsp. „Du brauchst keine ANGST haben“ legt Betonung auf Angst. Besser „Du bist hier sicher. Es wird schön“.
Diese 10 Punkte bieten uns, dem neuen Kind und den Eltern die Gelegenheit sich bereits vor Beginn der tatsächlichen Eingewöhnung zu beschnuppern. Wir sind uns nicht mehr ganz fremd. Unsere Stimme, unser Aussehen ist dem kleinen Menschen nicht mehr ganz neu und auch die Einrichtung hat es bereits mehrmals gesehen und betreten. Und mindestens genauso wichtig: Die Eltern haben ebenfalls schon Gelegenheit uns ein wenig besser kennenzulernen.
Spieglein, Spieglein
Kleine Kinder spiegeln das Verhalten ihrer Bindungspersonen. Der Grund hierfür sind die Spiegelneuronen, die wir Primaten besitzen. Auch als Erwachsener merken wir deren Auswirkungen noch sehr genau. Gähnt jemand in unserer Nähe, gähnen wir ebenfalls. Lächelt jemand lächeln wir automatisch zurück. Nicht nur diese sozialen Handlungen sondern auch Gefühlszustände sind die „Spiegel“ gut. Babys und kleine Kinder, die vieles kognitiv noch nicht einordnen können, haben dadurch die Möglichkeit sich an der Gefühlslage ihrer Bindungsperson zu orientieren.
Sie spüren sehr genau ob „alles in Ordnung ist“ oder Mama, oder Papa aufgewühlt, wütend, oder ängstlich ist. Daher ist es für unsere Arbeit so wichtig, zuerst das Vertrauen der Eltern zu gewinnen. Sind diese entspannt im Umgang mit uns, überträgt sich das auf das Kind.
Eingewöhnungsphase 2 – Eingewöhnungsstart
Selbstfürsorge als Geheimwaffe
Kümmere Dich zum Eingewöhnungsstart besonders gut um Dich und Deine Bedürfnisse. Schlafe ausreichend, Versorge Dich mit nahrhaftem Essen und ausreichend Trinken. So hast Du gute Voraussetzungen um für die Herausforderungen gewappnet zu sein, die Eingewöhnungen mit sich bringen.
Staffele Eingewöhnungen, die nacheinander am selben Tag ablaufen, zeitlich immer so, dass Du genug Puffer hast, um zu trinken, durchzuatmen, die Toilette zu besuchen und Dich kurz mit Kolleg*innen auszutauschen. Wenn die Termine direkt anschließen ist Stress sonst vorprogrammiert und kann schon für eine ungünstige Voraussetzung sorgen. Selbstfürsorge ist hier die Geheimwaffe für einen entspannten Eingewöhnungsstart.
Transparenz schafft Voraussetzung für Vertrauen
Vielen pädagogischen Fachkräften sind die Tage der Eingewöhnung, in denen Eltern in der Gruppe mit anwesend sind ein Graus. Sie fühlen sich unter Beobachtung, auf dem Prüfstand und das ist kein sonderlich schönes Gefühl.
Umso wichtiger ist es, Dir bewusst zu machen, dass diese Zeit einen guten Nährboden für ein Vertrauensverhältnis zwischen Dir und den Eltern des neuen Kindes schaffen kann. Eine gelungene Erziehungspartnerschaft ist darauf angewiesen, dass Eltern wissen, dass wir im besten Interesse ihres Kindes handeln und dieses gut bei uns aufgehoben ist. Geben die Eltern ihr Kleines also entspannt in die Kita, weil sie uns bereits etwas kennen und wissen wir können die Bedürfnisse ihres Kindes adäquat erfüllen. Die oben erwähnten Spiegelneuronen kommen hier wieder zum Tragen.
Diese Entspannung im Umgang mit uns erreichen wir, in dem wir offen auf die Eltern zugehen, geduldig ihre Fragen beantworten und ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen. In den vielen Fällen ist dies das erste Mal, dass Eltern ihr Kind in andere Hände geben. Wir sind ihnen noch fremd. Einen Vertrauensvorschuss zu erwarten, ist hier nicht angebracht und auch kaum möglich. Vertrauen durch Offenheit und die Bereitschaft aufzubauen, Eltern an unserer Arbeit mit den Kindern teilhaben zu lassen, ist hier das A und O.
Das Kind bestimmt das Tempo
Besonders in den ersten Tagen der Eingewöhnung, habe ich gute Erfahrung damit gemacht, das Kind auf mich zukommen zu lassen, statt mich selbst zu aktiv anzunähern. Viele „Neulinge“ gehen von Anfang an direkt in den Kontakt, lächeln die Betreuerin an oder machen ihr Spielangebote. Andere sind sehr zurückhaltend bleiben sehr nah am begleitendem Elternteil und beobachten erstmal das Geschehen. Beides ist normal, beides gut.
In welchem Tempo die Kontaktaufnahme abläuft, solltest Du unbedingt das Kind bestimmen lassen. Diese erste Akzeptanz seines individuellen Temperaments schafft bereits eine positive Grundstimmung für die kommende Zeit.
Klar, bleibst Du als pädagogische Fachkraft aufmerksam und nah dran. Du beobachtest, sprichst locker mit der Mama oder dem Papa und reagierst auch auf die Bestandskinder, die oft neugierig und manchmal etwas ungestüm dem Neuling Interesse entgegenbringen.
Beobachten und Erfragen sind die halbe Miete
Bei pflegerischen Handlungen wie dem Wickeln/ Toilettengang, Füttern bleibst Du in der Nähe, erklärst und zeigst den Eltern alles notwendige (Wo sind die Windeln/Feuchttücher, Lätzchen etc.) übernimmst aber noch keine der Tätigkeiten. Auch erfragst und beobachtest Du währenddessen die Interaktion zwischen Mama/Papa und Kind. Singen sie zum Beispiel beim Wickeln? Wenn ja welches Lied? Mag das Kind in die Selbstwirksamkeit kommen und kleine Aufgaben übernehmen (zum Beispiel auch Creme auf den Finger um den Po mit einzucremen. Vorm Wickeln Windel auswählen…Auf was muss ich achten? Empfindliche Haut?)
Eingewöhnungsphase 3 – Die erste Trennung
Im Berliner Eingewöhnungsmodell nach dem ein Großteil der Einrichtungen arbeitet, ist die erste Trennung bereits nach 3 Tagen vorgesehen. Diese recht knapp bemessene Zeit ist aber für viele Kinder und ELTERN bei Weitem nicht ausreichend um eine erste Bindung an die Betreuungspersonen aufzubauen.
Um die Eingewöhnung bindungsorientiert und sanft zu gestalten empfiehlt sich hier ein absolut kindzentrierter Ansatz. Partizipation ist ein wichtiger und mittlerweile zum Glück festgelegter Teil der pädagogischen Arbeit in deutschen Betreuungseinrichtungen. Die Eingewöhnung ist davon keineswegs ausgenommen, auch wenn sie bisher unter partizipatorischen Gesichtspunkten selten betrachtet wird. Lass und das also hier tun.
Das Kind kann und soll auch hier mitentscheiden können. Es gibt hier als Hauptperson das Tempo vor. Und kann uns meist auch ohne Worte gut zeigen, was es möchte und was nicht.
Folgende drei Verhaltensweisen können ein Indikator dafür sein, dass wir uns an eine erste Trennung wagen können:
- Kind spielt bereits längere Zeit mit den Betreuerinnen und den anderen Kindern, ohne Rückversicherung beim Elternteil zu suchen
- Kind lässt sich bereitwillig und entspannt von Betreuungspersonen wickeln/füttern oder vergleichbare Tätigkeiten übernehmen
- Kind sucht bereits körperlichen Kontakt, möchte auf den Arm, lässt sich von der Fachkraft trösten
Bereitschaft der Eltern – ein gern vergessener Faktor
Und bei all dem Blick auf die Signale des Kindes, vergiss eines nicht: Auch die Eltern müssen bereit sein für die Trennung, um diese positiv gestalten zu können.
Das bedeutet für Dich in der Praxis, dass nicht nur der Beziehungsaufbau zum Kind im Fokus liegt. Auch mit den Eltern vertrauter zu werden, zählt zu den wichtigsten Faktoren eines gelungenen ersten „Ohne Elternteil in der Gruppe bleiben.“
Positives Formulieren kann helfen!
„Erste Trennung“ „Trennungsversuche“ etc. sind halt unser Pädagogensprech. Vielleicht sollten wir Fachkräfte uns aber tatsächlich mal damit auseinander setzen, ob das Wording hilfreich ist. Trennung ist schließlich im Normalfall ein sehr negativ behafteter Begriff.
Eltern tun sich also zu recht wohl oft schwer der Ankündigung eines ersten „Trennungsversuches“ etwas Positives abzugewinnen. Sie sind eventuell sehr unsicher, haben möglicherweise schon die schlimmsten Geschichten aus dem Bekanntenkreis oder aus Internetforen gehört.
Formuliere Deine Beobachtungen also besonders achtsam. Zum Beispiel „Ich sehe, XY fühlt sich nun schon sehr wohl hier und nimmt guten Kontakt zu mir auf. Das ist ein gutes Zeichen. Was meinst Du, denkst Du sie/er könnte schon ein paar Minuten ohne Dich hier auskommen? Wollen wir das mal versuchen?“
Eltern sind Experten für ihr Kind
Wenn das eingewöhnende Elternteil noch absolut dagegen ist und glaubt, dass es noch zu früh fürs Kind ist, lasst Euch noch ein bisschen Zeit. Zeige Fortschritte und Meilensteine auf (zum Beispiel lässt das Kind sich von Dir trösten etc.) und frag auch nochmal nach entsprechenden Sorgen, die vielleicht in den Vorgesprächen nicht erwähnt wurden.
Wichtig ist genau wie beim Kind, genau wie bei jedem von uns Das Elternteil soll sehen, dass es in seinen Bedenken gehört und ernst genommen wird.
Eltern kennen ihr Kind bereits viel länger und intensiver als wir. Häufig liegen sie richtig in ihren Annahmen (auch wenn manchmal sicher eigene Themen eher der Grund sind für die Unsicherheit). Natürlich hast Du als Betreuer*in mit pädagogischem Background eine Expertise. Das haben diese Elternteile aber auch – nämlich die Expertise für ihr Kind.
Mache Dir unbedingt bewusst, wie wichtig es ist, dieses Wissen und diese Erfahrung der Eltern anzuerkennen. Wir Fachkräfte haben viel theoretisches und praktisches Wissen bezüglich der Arbeit mit Kindern – nicht jedoch was dieses spezielle Kind angeht. Dieser individuelle, junge Mensch ist uns mit seinen Wesenszügen und Eigenschaften eben noch gänzlich unbekannt.
Bewusster Abschied und Trost
Es gibt durchaus häufiger erste Zeiten ohne Eltern in der Kita, Tagespflege oder Kiga ohne Tränen ABER Trennungsschmerz darf sein. Auch wenn bereits eine erste Bindung zu den Fachkräften aufgebaut ist, darf der Abschied von Mama/Papa von Trauer oder Wut begleitet sein. Wichtig ist, dass wir dem Kind signalisieren, dass das auch ok ist, wir sein Bedürfnis nach Nähe und Verbindung sehen und es ist okay ist, jetzt traurig oder wütend zu sein.
Für eine gelungene Trennung ist es wichtig, dass die Eltern sich ganz bewusst verabschieden, (mit Blick- und optimalerweise Körperkontakt zum Kind, wie Arm berühren etc. um Aufmerksamkeit zu haben) und ankündigen, dass sie gleich wieder zurück sind. „Mama geht kurz. Du bleibt solange hier bei XY“. Nach der Ankündigung winken und zügig das Zimmer verlassen.
Perspektivenwechsel und Stopp-Taste
Diese erste Zeit ohne Mama/Papa in der Gruppe sollte möglichst kurz sein. 5 bis maximal 10 Minuten reichen völlig aus. Lässt sich das Kind absolut nicht beruhigen und fängt an panisch zu weinen, solltest Du sofort abbrechen. Wichtig ist die Botschaft ans Kind: Du bist hier sicher. Du wirst gesehen und gehört. Wenn es noch zu früh für Dich ist, respektieren wir das.
Keinesfalls sollten Kinder, die sich an ihre Eltern klammern mit „sanfter“ Gewalt (Gewalt bleibt immer Gewalt, ob mit massiver Einwirkung oder leichter, sie hinterlässt Spuren) von den Eltern losgelöst werden. Diese Übermächtigungserfahrung kann die Bindung an die Betreuungsperson nachhaltig erschweren oder sogar unmöglich machen und starke Ängste auslösen.
Ein Perspektivenwechsel ist hier für uns als Fachkräfte wichtig. Ein Dir körperlich überlegener, noch fremder Mensch, zieht Dich mit Gewalt mit sich mit, weg von Deiner Vertrauensperson, die das billigend hinnimmt, sich abwendet und geht. Die Angst und Ohnmachtsgefühle, die eine solche Situation in uns auslösen würde, können wir sicher nachvollziehen.
Diese beängstigende Situation ist bestimmt nichts, was Du einem kleinen Menschen zumuten willst, der Vertrauen zu Dir aufbauen soll.
Reagiert also das Kind mit panischer Angst auf die Trennung: Drück die Stopp-Taste und RUDER ZURÜCK! Es ist noch nicht soweit und das ist ok. Oft dauert es dann noch ein paar Tage mehr, bis eine erfolgreiche erste Trennung möglich ist.
Einzahlungen aufs Bindungskonto
Dieses Mehr an Zeit lohnt es sich zu geben. Ein so feinfühliges Eingehen auf das Kind, legt einen wichtigen Grundstein für die weitere Beziehung zu ihm.
Abgebrochene und verschobene Trennungsversuche bedeuten keine verschwendete Zeit. Im Gegenteil: Sie zahlen auf das Bindungskonto ein. Langfristig erleichterst Du Dir Deine Zusammenarbeit mit Kind und Eltern massiv, wenn Du die Bedürfnisse gut im Blick hast und seine Signale nicht übergehst.
Auch für die kurzfristige Arbeit mit dem Kind lohnt es sich, nicht auf Fortsetzung einer offensichtlich verfrühten Trennung zu bestehen. Ein laut weinendes Kind zu beruhigen zu versuchen, während auch die Bestandsgruppe durch die Situation verunsichert und beeinträchtig ist, verlangt uns enorm viel Kraft ab. Deine Energieressourcen solltest Du aber besonders während der Eingewöhnungszeit immer im grünen Bereich halten, um die nötige Geduld und Empathie für Deine Arbeit aufbringen zu können.
Eingewöhnungsphase 4 – Stabilisierung
Nach den ersten erfolgreichen Trennungen steigerst Du in Absprache mit den Eltern und unter genauer Beobachtung des Kindes nach und nach die Trennungszeiten. Das Kind wird von den Eltern abgegeben und verbringt nach und nach immer mehr Zeit mit Dir, der Gruppe und den Kolleg*innen in Eurer Einrichtung.
Auch wenn es sich schon recht selbstbewusst umher bewegt und bereits ins Spiel findet, ist der Fokus immer noch verstärkt auf dem neuen Kind. Interaktionen mit anderen Kindern werden ermutigt und das Kind erfährt von uns Unterstützung und Begleitung wann immer nötig.
So kann es immer sicherer und stabiler die Zeit in der Einrichtung meistern und seine Rolle in der Gruppe finden.
Bereits kleine Stresssignale beachten
Nicht immer zeigen Kinder Stress durch große Gesten wie Weinen, Schreien etc.
Versuche auch ein Auge auf die kleinen Anzeichen zu haben. Schottet das Kind sich sehr ab (kein gewöhnlicher Rückzug um mal kurz Pause zu machen)? Hat es ein extrem starkes Saugbedürfnis und will den Schnuller plötzlich nonstop nuckeln, kann es sich auf gar kein altersgerechtes Spiel einlassen? Dies alles können Zeichen für ein stark erhöhtes Stresslevel sein.
Außerfamiliäre Betreuung ist bei jungen Kindern immer ein Stressfaktor. Wichtig für uns und die Eltern ist es diesen so gering wie möglich zu halten, in dem wir uns viel Zeit und Mühe geben, eine gute Bindung aufzubauen und versuchen, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und zu erfüllen.
Tragen als Gamechanger
Wenn Du das Gefühl hast, das Kind zeigt deutliche Anzeichen von erhöhtem Stress, versuche, ob es sich durch viel Körpernähe beruhigen lässt. Hier bieten sich Tragehilfen an, mit denen Du das Kind auf dem Rücken tragen kannst. Viel Körperkontakt hilft Stress abbauen. Bewegung ebenfalls und die bekommt es in der Tragehilfe durch Deine Bewegungen ebenfalls mit.
Vielleicht macht Ihr auch einen Spaziergang mit der Gruppe und das Eingewöhnungskind kann eben in die Trage, wenn es ihm zu viel ist. Dort ist es von zu viel Reizen abgeschirmt und hat Kuschelzeit, während Du trotzdem die Hände frei hast und auch für die anderen Kinder da sein kannst.
Tragen ist für viele Eingewöhnungen ein Gamechanger. Denn machen wir uns nichts vor. Gerade im U3-Bereich tragen wir ständig Kinder. Wenn wir dies auf der Hüfte/dem Arm tun ist es schnell eine Belastung für den Rücken und kostet uns viel Energie.
Die Erfahrung, dem Kind die nötige Nähe zu geben, ohne hinter komplett verspannt und erschöpft zu sein, ist eine wunderbare.
Mehr zum Tragen in der Eingewöhnung kannst Du hier in meinem Blogartikel zu dem Thema lesen. Traageworkshops mit diversen Tragen zum Testen und der Erklärung, wie man sie optimal nutzt, kann Deine Einrichtung bei mir buchen.
Schlafen in der Betreuung – Meilenstein statt Hürde
Das Kind nimmt nun schon an allen relevanten Punkten des Tagesablaufs eventuell auch schon am Mittagsschlaf teil. Diesen in der Einrichtung zu machen ist ein Meilenstein nicht unbedingt eine Hürde. Versuche Dich entsprechend positiv darauf einzustellen und das Ganze locker anzugehen.
Besprich mit den Eltern, dass in der Anfangszeit der Mittagsschlaf eventuell noch zu Hause gemacht werden kann, falls das Kind noch nicht so schnell so weit ist. Das entzerrt die Situation, falls das Kind noch nicht gefestigt genug ist, um loszulassen und in den Schlaf zu finden.
Nimm Dir hierfür also besonders Zeit. Bitte die Eltern beim ersten Mal dabei zu sein, wenn Ihr Kind in der Einrichtung mittags schlafen soll.
Alternative Schlafbrücken in der Einrichtung
Das ist besonders für die Eltern meist ein hilfreicher Schritt. Das Schlafen in der Betreuung ist für viele Eltern, der Punkt, um den sie sich die meisten Sorgen machen. Diese Sorge wird leicht aufs Kind übertragen, dass seinerseits mit Unruhe reagiert und dann kaum in den Schlaf finden wird.
Auch Kinder, die zuhause nur durchs Stillen in den Schlaf finden, schaffen den Übergang nach einer Weile in der Betreuung problemlos. Das Schlafen mit anderen in der Gruppe und die Anwesenheit der pädagogischen Fachkraft als Bindungsperson reicht häufig schon aus, um nach den vielen Erlebnissen des Vormittags gut einzuschlummern.
Gerade neue Kinder benötigen häufig mehr Aufmerksamkeit und Nähe, die Du ihnen auch geben solltest. Einem Kind also wenn es das wünscht , noch die Hand zu halten, oder ganz nah neben seinem Bett zu sitzen, zu summen, etc. ist völlig ok. Veraltete Unkenrufe man würde das Kind so heillos verwöhnen und sich manipulieren lassen, kannst du getrost ignorieren.
Du erfüllst lediglich das Bedürfnis nach Nähe, Verbindung und Sicherheit, dass nötig ist, um in den Schlaf zu finden. Das ist wunderbar und festigt die Bindung zum Kind. Außerdem erleichtert es Dir Deine Arbeit.
Auch hier gilt es sehr sensibel für Signale des Kindes zu sein und im Austausch mit den Eltern zu bleiben.
Warnsignale ernst nehmen
Ist das Kind zuhause plötzlich ungewöhnlich weinerlich, launisch, aggressiv, isst schlechter oder schläft sehr schlecht, kann dies ein Zeichen von starkem Stress und Überforderung sein. Vielleicht sind wir nach den erfolgreichen ersten Trennungen und der guten Entwicklung dann etwas zu schnell vorangeprescht und das Kind hätte noch ein paar Tage/Wochen mehr mit kürzeren Intervallen gebraucht?
Schau genau auf die Situation versuche die Zeichen des Kindes zu deuten und handle entsprechend feinfühlig danach. Rückschritte sind ein Teil des Prozesses und nicht als Versagen zu werten (Weder Deines noch das des Kindes oder der Eltern). Nimm sie an und achte darauf keinen Druck aufzubauen.
Eingewöhnungsphase 5 Abschlussgespräch
Für viele ist das Abschlussgespräch eine reine Routineangelegenheit. Ich empfehle Dir allerdings, es als große Chance zu nutzen, die bereits angebahnte vertrauensvolle Beziehungspartnerschaft zu den Eltern des neuen Kindes hier nach Möglichkeit zu festigen.
Es ist eine hervorragende Möglichkeit kleinere Unstimmigkeiten oder Unsicherheiten aus der Welt zu räumen und Fremd- und Selbstwahrnehmung abzugleichen.
Visualisierung ist das Zauberwort
Statt nur mit standardisierten Vorlagen zu arbeiten, solltest Du das Gespräch sehr individuell und sorgfältig vorbereiten. Es ist schließlich dazu da, die Eingewöhnung nochmal ganzheitlich zu betrachten. So sehen wir, was optimal gelaufen ist und wo wir nachbessern mussten und konnten.
Was ist unser Erfahrungsschatz? Was nehmen wir aus den letzten Wochen mit? Diese Fragstellungen lassen sich wunderbar visualisieren mit einer kleinen Box, die die Eltern und Betreuer*in mit entsprechenden beschriften Karten (evtl. in Münzenform) befüllen. Die Box kann plastisch sein, oder einfach gezeichnet.
Das Ergebnis wird dokumentiert und kommt ins Portfolio des Kindes, wo auch die Wochen der Eingewöhnung dokumentiert wurden.
Haben wir insgesamt die Bedürfnisse des Kindes, der Eltern und unsere als Fachkraft berücksichtigen können, so dass alle zufrieden daraus hervorgehen?
Hat das Kind bereits wirklich eine gute Bindung zu uns aufbauen können? Fühlt es sich aufgehoben und sicher bei uns? Wie ist das mit den Eltern? Können sie ihr Kind morgens vertrauensvoll in unsere Hände geben?
Auf diese spielerische Art und Weise lässt sich leichter und offener über eventuelle Stolpersteine reden. Auch diese können z.Bsp. mit echten Steinen, die mit Acrylstifen beschriftet werden dargestellt werden.
Das Gesagte bekommt mehr Stellenwert und die Bedeutung des Gesprächs erfährt eine klare Aufwertung, als wenn ich das in 15 Minuten mit einem Standardbogen durchlaufe.
Die Eltern sollten mit dem Gefühl aus dem Gespräch gehen, dass ihnen Wertschätzung und Vertrauen entgegengebracht wird und ihre Meinung sehr ernst genommen wird.
Offenheit und selbstkritische Reflexion
Besonders wichtig ist es auch von unserer Seite aus Offenheit und Bereitschaft zur selbstkritischen Reflexion zu zeigen. Habe ich in den Wochen der Eingewöhnung, so gehandelt, wie es meinen Werten und Ansprüchen an meine Arbeit entspricht?
Haben die Eltern vielleicht durchaus mal miterlebt, wie ich ein Kind unsanft zurechtgewiesen habe, laut wurde? Ungerecht war? Das kann passieren. Du bist ein Mensch, wie jeder andere auch und Menschen haben auch mal schlechte Tage/Stunden/Minuten in denen sie unter Stress stehen und nicht so empathisch reagieren können, wie sie gerne würden.
Wichtig ist es nur, dass auch zu erkennen und zu versuchen beim nächsten Mal anders zu handeln (zum Beispiel vorher bereits besser für sich zu sorgen, weniger Aufgaben von außen anzunehmen, Hilfe einzufordern etc.) Gerade für neue Eltern ist es wichtig, so etwas ansprechen zu dürfen und ehrliche Reaktionen statt Abwiegelungen zu erfahren.
Ehrliches Feedback fördern – Chancen erkennen.
Ehrlichkeit schafft hier eine gesunde Vertrauensbasis. Auch die Bitte weiterhin jederzeit offen auf die Fachkräfte zuzukommen und nachzufragen, wenn ihnen etwas auffällt und sie sich dabei unwohl fühlen.
Diese Rückmeldungen sind für uns Betreuer*innen ein wertvolles Feedback. In wenig anderen Berufen wie dem unseren ist eine gesunde Selbstreflexion so wichtig.
Regressionen sind oft Teil des Prozesses
Eingewöhnung ist wie fast alles im Leben ein Prozess. Ein Prozess, der mal eine Pause einlegt und einer in dem es auch mal Rückschritte geben kann.
Häufig erleiden neue Kinder nach einigen Wochen, in denen alles reibungslos zu laufen schien, plötzlich einen Einbruch. Die Tatsache, dass es „da jetzt jeden Tag hingehen muss“ scheint einzusickern. Oder es stehen große Schritte in der körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes an, die seine Kapazitäten zu kooperieren beeinträchtigen.
Dann ist es gut, dass gelassen hinzunehmen. Regression ist hier ein Teil des gesunden Ablaufs. Manchmal müssen wir eben einen Schritt zurück machen, um dann mit Anlauf wieder nach vorn zu springen.
Gönne dem Kind dann möglichst viel Rückzugsmöglichkeiten, viel Nähe und wenn irgendwie möglich besprich auch mit den Eltern, dass das Kind in diesen Zeiten vielleicht mal weniger lang in der Kita bleibt. Eventuell kann es ein paar „Oma-Opa-Nachmittage“ einlegen.
Für die Eltern empfiehlt sich in dieser Zeit mit viel Verständnis auf das Verhalten des Kindes zu reagieren. Kein Erstauntes „Aber Du bist doch immer so gern zur Kita gegangen…“ mit leicht vorwurfsvollem Unterton. Sie tun gut daran, sich extra viel Zeit einzuplanen, um morgens einen Puffer zu haben, für längere Abschiede, Trost, vielleicht noch etwas gemeinsame Spiel-, oder Kuschelzeit vorm Losfahren.
Sowohl wir als auch die Eltern sollten uns als Mantra „Das Kind handelt nicht gegen Dich, sondern für sich selbst“ einprägen. Meist sind diese Einbrüche schnell wieder vorbei, wenn Eltern und Einrichtung dem Kind zeigen, dass das völlig ok ist und ihm Zeit und Zuwendung geben.
Eingewöhnung 2.0
Ich möchte Dich einladen, Dir eine EIngewöhnung 2.0 zu entwickeln. Übernimm was an Methoden meist gut geklappt hat, werde aber auch kreativ und sieh jede Eingewöhnung als einzigartig an. Kein Schema F passt auf alle Kinder. Modelle geben nur grobe Richtlinien, die bei Weitem nicht dem Großteil der Kinder gerecht werden.
Versuche mit Hilfe von Beobachtung und im Gespräch mit den Eltern herauszufinden, was das Kind braucht, um gut anzukommen. Und auch Du als Fachkraft bist ein wichtiger Faktor. Was wünscht Du Dir? Was brauchst Du um dem Anspruch an Deine Arbeit zu genügen?
Es tut gut völlig unvoreingenommen an das Thema ranzugehen. Wie würde ich mir Rahmenbedingungen für Eingewöhnung zaubern, wenn ich könnte? So merkst Du häufig, was Dich am Meisten hindert. Sicher können wir nicht urplötzlich Fachpersonal und neue Stellen aus dem Hut zaubern, aber oft hilft es uns, kreativ zu werden. So finden wir Lösungen. Stolpersteine zu erkennen ist der erste Schritt, um nicht mehr über sie zu fallen.
Du möchtest bei der Entwicklung Deiner neuen Eingewöhnungsmethoden eine Begleitung für fachliche Input? Buche gerne eine Beratung bei mir und wir sehen uns gemeinsam an, was Du, die Kinder und Eltern brauchen um es für Euch alle rund zu gestalten.
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